20. August 2019 | 21:10 Uhr
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Richter warnen vor Lawine an Flugprozessen

Der Anteil entsprechender Klagen am Gesamtaufkommen habe sich seit 2015 am Amtsgericht Frankfurt am Main mehr als verdoppelt, klagt der hessische Richterbund. Die Juristen fordern verschärfte Sanktionsmöglichkeiten gegenüber den Airlines, die Entschädigungen hinauszögerten.

Flugzeug

Luftaufnahme

Im Jahr 2019 würden dort bis zu 16.000 Reisesachen verhandelt, in aller Regel Ersatzansprüche auf Grund der Fluggastrechteverordnung. Die Prozessflut führe zu Problemen im Geschäftsbetrieb, teilt der Richterbund Hessen mit. Die Belastungsquote liege derzeit beim Doppelten des vorgesehenen Personalschlüssels. Es bildeten sich "insbesondere auf den Geschäftsstellen gegenwärtig erhebliche Rückstände". Die Verfahrenslaufzeiten stiegen dadurch bereits an.

Überdurchschnittlich viele Verfahren endeten ohne sachliche Auseinandersetzung zum Grund der Flugstörung mit einem Anerkenntnisurteil, einer Klagerücknahme, einer übereinstimmenden Erledigungserklärung oder einem Urteil, dem keine Verteidigung gegen den Anspruch vorangegangen sei, so die Richter. Dies führe allerdings bei der Dezernatsarbeit und der Aktenverwaltung auf der Geschäftsstelle und im Kostenfestsetzungsverfahren zu "keiner ausreichenden Entlastung". Die hohe Zahl rechtlich einfach strukturierter Verfahren bedeute einen großen Aktenverwaltungsaufwand.

Zahl der Klagen wächst weiter

Nach Schätzungen "informierter Beteiligter aus dem Inkassobereich" würden derzeit nur 15 bis 20 Prozent der bestehenden Ansprüche überhaupt bei den Fluggesellschaften zur Erstattung angemeldet. Es handele sich aber um einen wachsenden Markt, da die Fluggastportale ihr Angebot aktiv und erfolgreich in allen Medien bekanntmachten und die Entwicklung der computerisierten Fallbearbeitung stetig ansteige. Es sei daher abzusehen, dass es einer weiteren Zunahme der gerichtlichen Verfahren komme, selbst wenn singuläre Ereignisse wie die außergewöhnlich hohe Zahl von Verspätungen und Ausfällen wie im Jahr 2018 künftig vermieden werden könnten.

Der Richterbund Hessen befürchtet, dass die hohe Zahl solcher unstreitig bleibender Bagatellverfahren "zulasten wichtigerer rechtsstaatlicher Aufgaben der Amtsgerichte in der Zivilrechtspflege und in der Strafrechtspflege" gehen könnte. Deshalb fordert der Richterbund kurzfristig eine Aufstockung des Personals.

Gesetzgeber soll handeln

"Aus unserer Sicht kann eine nachhaltige Lösung des Problems nur auf der Ebene des Gesetzgebers gefunden werden", so der Richterbund Hessen. Die Fluggastrechteverordnung sehe nämlich vor, dass die von den Mitgliedstaaten für Verstöße gegen die Fluggastrechteverordnung festgelegten Sanktionen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssten. Angesichts der Vielzahl der in der Sache unstreitig bestehenden aber außergerichtlich nicht erfüllten Ansprüche und der weit überwiegenden Zahl stattgebender Entscheidungen "dürfte der damit geforderte Rechtsstand noch nicht erreicht sein", so die Richter.

"Ziel gesetzgeberischer Initiative sollte sein, dass im Regelfall nur rechtlich umstrittene Fälle, die einer berufsrichterlichen Sachentscheidung und des Einsatzes der knappen staatlichen Ressourcen wirklich bedürfen, zu den Gerichten gelangen. Unstreitig entschädigungspflichtige Flugstörungen müssen außergerichtlich reguliert werden", so die Forderung der Juristen. So bedürfe es "effektiver Bußgeldhöhen", die sich am Gesamtumsatz der betroffenen Luftfahrtunternehmen orientierten und die "den wirtschaftlichen Vorteil des Gesamtaufkommens einer zögerlichen Entschädigungspolitik abschöpfen" gar ein Mehrfaches davon betragen. Darüber hinaus sollten weitere Modelle der Sanktionierung geprüft und kurzfristig auf den Weg der Gesetzgebung gebracht werden, wie zum Beispiel die Einführung einer automatischen Entschädigung oder die Verpflichtung der Luftfahrtunternehmen zu einem Anspruchsmanagement, das eine zeitnahe Auszahlung durch geeignete Verfahren und Vorkehrungen sicherstelle.

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