Steht der Handelsvertreterstatus auf der Kippe?
Ein nicht ganz neues Urteil des Landgerichts Düsseldorf stellt nach Auffassung des Reisebüroverbandes VUSR die Preisbindung im Reisevertrieb infrage – mit weitreichenden Folgen für Reisebüros. Sollte sich die Rechtsprechung durchsetzen, drohe ein ruinöser Preiswettbewerb. Der Handelsvertreterstatus stünde zur Disposition, das bisherige Vertriebssystem könnte kippen.

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Der rechtliche Status der Reisebüros gegenüber den Veranstaltern wackelt
Ein Grundpfeiler des deutschen Reisevertriebs gerate ins Wanken, schlägt das Handelsblatt Alarm. Das Landgericht Düsseldorf hatte Aida Cruises bekanntlich untersagt, einem Vermittler die Zusammenarbeit zu kündigen, weil dieser seinen Kunden Rückvergütungen auf gebuchte Reisen gewährt hatte. Die Begründung: Die Praxis der Preisbindung verstoße gegen das Wettbewerbsrecht. Die Reederei hatte daraufhin Berufung eingelegt und will eine höchstrichterliche Klärung erzwingen.
Handelsvertretermodell auf dem Prüfstand
Im Zentrum des Rechtsstreits steht der Handelsvertreterstatus der Reisebüros. Dieser schützt sie bislang vor Preiswettbewerb, indem er eine einheitliche Preisbindung zwischen stationärem Vertrieb und Online-Plattformen wie Check24 oder Holidaycheck sicherstellt. Ob kleine Reisebüros oder große Filialisten – bislang verlangen alle denselben Preis wie der Veranstalter selbst.
Die Entscheidung des Landgerichts könnte dieses Modell kippen. Denn laut dem Urteil beschränkt das Verbot, Provisionen mit Kunden zu teilen, den freien Wettbewerb und verstößt gegen Paragraf 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Die Richter beriefen sich dabei auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der bereits 1987 in einem vergleichbaren Fall die Preisbindung für unzulässig erklärt hatte.
Existenzgefährdung für kleinere Büros?
Für viele inhabergeführte Reisebüros wäre ein Ende der Preisbindung existenzbedrohend, glaubt Marija Linnhoff, die Vorsitzende des VUSR. Bei Provisionen zwischen sieben und zwölf Prozent sähen sich viele Agenturen bereits heute an der wirtschaftlichen Belastungsgrenze. Fiele der Preiszwang, könnten Online-Anbieter mit hohen Rückvergütungen locken und kleine Reisebüros vom Markt drängen.
Ein ähnliches Szenario habe sich 1974 im Einzelhandel abgespielt, als das Ende der Preisbindung der dritten Hand einen Strukturbruch auslöste, schreibt das Handelsblatt. Großanbieter wie Rossmann und DM hätten sich durchgesetzt, tausende kleine Läden seien verschwunden.
Branche bereitet sich auf Wandel vor
Während die Berufungsverhandlung am Oberlandesgericht Düsseldorf noch aussteht, stellten sich größere Marktteilnehmer bereits auf mögliche Veränderungen ein, so Linnhoff. Reisebüroketten wie LCC und Derpart arbeiteten an Modellen mit Servicegebühren und distanzierten sich zunehmend vom klassischen Handelsvertretermodell.
LCC erklärt indes zu diesem Thema, dass man sich keineswegs vom Handelsvertretermodell distanziere. Auch von Derpart heißt es zu dem Thema, dass man "weiterhin unabdingbar" am Handelsvertreterstatus festhalte. Das Serviceentgelt sei ein "bei den Derpart-Filialen flächendeckend eingeführtes und im Partner-Modell empfohlenes Modell", um sinkende Provisionssätze in Verbindung mit erhöhtem Verwaltungsaufwand entgegnen zu können, damit Reisebüros noch profitabel betrieben werden könnten.
Keine neue Rechtsauslegung erwartet
Linnhoff rechnet indes nicht damit, dass höhere Instanzen den Düsseldorfer Richtern widersprechen werden. "Die Transformationen können wir wahrscheinlich nicht verhindern", erklärt sie. Man werde aber versuchen, sie aktiv mitzugestalten. Ihrer Einschätzung nach könnten neue Franchisestrukturen entstehen, die nur noch Produkte einzelner Veranstalter vertreiben.
Linnhoff positioniert sich offen gegen die zunehmende Zentralisierung und bekräftigte via Linkedin erneut ihre Kandidatur für das Amt der DRV-Präsidentin. Sie warnt vor einem "Systemwechsel zulasten der Selbstständigen" und ruft zur Einigkeit im freien Vertrieb auf. Die Entwicklung zeige, dass sich große Marktakteure bereits strategisch neu aufstellten – während viele kleine Büros noch zögerten, Position zu beziehen: "Wer heute schweigt, verliert morgen sein Reisebüro", erklärt sie.
Christian Schmicke