Branchenkritik: Zu wenig junge Leute bei Touristikevents
Touristiker Tobias Zirpel (Foto) kritisiert die geringe Präsenz junger Beschäftigter auf Roadshows und Abendveranstaltungen in einem Linkedin-Post. Counter vor9 hat nachgefragt, wie sich der Reiseland-Manager den Nachwuchsmangel erklärt. Nicht fehlendes Interesse sei das Problem, sondern Einladungen, Konzepte und fehlender Ausgleich, so der Reiseverkehrskaufmann.
Reiseland
Tobias Zirpel bricht eine Lanze für die Jungen in der Touristik
Tobias Zirpel hat seine Karriere am Counter eines Reisebüros in Bad Hersfeld begonnen, war zwischenzeitlich bei Lastminute.com, dann Expedient im DB-Reiseverkauf und ist aktuell mit zwei Jobs ausgestattet. Zum einen ist er für den Touristikkonzern Orascom als Sales Director DACH tätig, zum anderen für die Kooperation Reiseland RTK als Marketing & Business Development Manager. Zwei Befunde stellt der 42-Jährige im Gespräch mit Counter vor9 voran, die ihn dazu gebracht haben, einen Appell an die alt eingesessenen Touristiker zu richten. Auf Branchenevents tauchten "immer die gleichen Gesichter" auf, und der Nachwuchs fehle. Ursache sei weniger Desinteresse als fehlende Einladungen und ein Mangel an passenden Konzepten. "Nehmt eure Azubis mit. Gebt ihnen Einblicke, Momente, Begegnungen", sagt der Manager.
Zirpel plädiert für klare Erwartungen an junge Touristiker, die man schon im Bewerbungsprozess einfließen lassen sollte. Denn Abendveranstaltungen gehören seiner Meinung nach zum Job. Zudem bedürfe es eines Ausgleichs dafür, so der Vertriebsprofi. Wer abends nach einem Arbeitstag fünf Stunden on top bei einer Roadshow sei, solle am nächsten Tag später starten oder frei bekommen. Den Azubis die Branchenevents zu verwehren, weil im Reisebüro zu viel los sei und sie dann am Counter fehlten, hält er für den falschen Ansatz.
Formate modernisieren
Auch bräuchten Roadshows und Events generell ein neues Gewand, so Zirpel. Lange Vorträge und "Dauerbeschallung" schreckten ab. Gefragt seien etwa kurzweilige, interaktive Elemente, Social-Media-Anknüpfung und Inhalte zu künstlicher Intelligenz. Die jungen Leute wollten "Geschichten und Interaktion", statt der immer gleichen, langweiligen Veranstaltungen. Man könne etwa auf Events für Kleingruppen statt auf Massenveranstaltungen setzen. Auch könnten Sessions mal während der Arbeitszeit stattfinden, statt immer abends. Das könne attraktiver für den Nachwuchs sein, dann würden die Arbeitstage nicht zu sehr in die Länge gezogen.
Früher ansetzen – Schulen erreichen
Eine frühe Ansprache der jungen Zielgruppe, etwa über den alljährlichen bundesweiten Aktionstag Girls and Boys Day, bei dem in Jobs reingeschnuppert werden kann, und auch Schulbesuche mit Vorstellung der touristischen Job-Vielfalt hält er für nötig. Verbände und Betriebe müssten konsequenter in Schulen präsent sein, findet er. Seine Initiative, junge Touristiker von 48 Berufsschulen zum QTA-Reisesommer einzuladen, blieb laut Zirpel ohne Rückmeldung der Verantwortlichen. Die Anfragen seien einfach im Sand verlaufen, "unerklärlich und enttäuschend".
Praxisbeispiel fliegendes Klassenzimmer
Bei Reiseland/RTK versucht Zirpel mit dem Projekt "Das fliegende Klassenzimmer" das umzusetzen, was er von der Branche fordert. "Die jungen Leute entscheiden mit, was auf die Agenda beziehungsweise den Routenplan kommt. Ob Workshop, Land und Leute oder Austausch – sie wollen posten, zeigen, wo sie sind", so Zirpels Erfahrung. Es sei eine Inforeise mit einigen, wenigen Hotelbesichtigungen und täglicher Mitgestaltung durch die Teilnehmer gewesen.
Kulturwandel in der Ausbildung
Außerdem regt Zirpel an, dass Betriebe eine Art "Ausbildungs-Führerschein" machen sollten. Das Ergebnis wäre seiner Meinung nach, dass aus Überzeugung ausgebildet werde, statt aus Pflicht. Gute Arbeitgeber ließen den Nachwuchs einfach machen und vertrauten ihm spannende Aufgaben an – vor allem auch in Social Media. "Wir müssen die jungen Menschen anders abholen, sensibler, auf Augenhöhe", so Zirpel. Webinare bleiben laut dem Reiseland-Manager für Schulungen im Arbeitsalltag ein Werkzeug, ersetzen persönliche Begegnungen jedoch nicht. Die Branche sei ein People’s Business, sagt Zirpel. Events sollten das widerspiegeln, kurz und interaktiv sein, und so gestaltet werden, dass junge Leute kommen wollten und könnten.
Er habe nichts gegen Events mit der Zielgruppe Touristik-Nachwuchs, das sei großartig, betont Zirpel. "Aber ich frage mich: Ist das wirklich das Ziel? Wollen wir sie unter sich lassen oder sie früh in die echte Branche holen? Dahin, wo die Geschichten erzählt, Kontakte geknüpft und Netzwerke aufgebaut werden", so sein Appell auf Linkedin. Es sollte sowohl gemischte als auch Events nur für Junge geben, meint Zirpel. Nur so könne der Nachwuchs begeistert werden, "wenn sie erleben dürfen, wie lebendig und inspirierend diese Branche ist."
Sabine Schreiber-Berger