15. September 2022 | 14:21 Uhr
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Mit Teamwork und "Olga hilft" durch die Krise

Dass wegen eines Airline-Streiks nach kurzem Anruf spät abends 160 müde Fluggäste auf der Matte stehen, ist für den Hotelprofi Achim Hunzinger (Foto mit Olga Bechmann) nichts Neues. Dann brachte der Ukraine-Krieg neue Herausforderungen. Wie das Team der Villa Stokkum in Hanau zwei Monate lang Hotelbetrieb und 2.000 Übernachtungen von Flüchtlingen unter einen Hut bekam, erzählt er Reise vor9.

Hunzinger Achim GM Bechmann Olga Stellvertreterin Villa Stokkum Hanau Foto Privat

Ein eingespieltes Team der Villa Stokkum: Direktor Achim Hunzinger und die stellvertretende Empfangschefin Olga Bechmann

Seinen Einstand in der Villa Stokkum hatte sich Achim Hunzinger im Februar 2022 sicher anders vorgestellt. Denn nachdem das Vier-Sterne-Haus in der Pandemie für 1,5 Millionen Euro renoviert worden war, stand statt der üblichen Restart-Phase Anfang März Lebenshilfe für Flüchtlinge aus der Ukraine an.

Hilferuf der Stadt
"Am 3. März hat jemand von der Stadt Hanau unseren Geschäftsführer Christoph Krieger angerufen und gefragt, ob Zimmer frei wären", erzählt der erfahrene Hotelier. Die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine seien schon vor Ort und es kämen sicher mehr, mit dem Auto oder mit der Bahn. Nach kurzer Rücksprache mit seinem neuen General Manager Hunzinger, ob das zu schaffen sei, hat Krieger mit der Stadt eine Pauschale für Unterkunft mit Verpflegung vereinbart und der Deal war fix.

"In unseren Zimmern waren Familien mit Kindern untergebracht, insgesamt waren das in zwei Monaten über 2.000 Übernachtungen", erklärt Hunzinger. Zudem wurden in dieser Zeit rund 12.500 Mahlzeiten für die ukrainischen Gäste zubereitet. Ein echter Kraftakt für das Team im Best Western Hotel in Hanau-Steinheim, denn der Hotelbetrieb ist laut Hunzinger parallel weitergelaufen.

Olga Bechmann war Tag und Nacht im Einsatz
So kam es anfangs zu ungewohnten Szenen an der Rezeption, weil die Menschen natürlich „tausend Fragen und Anliegen“ hatten und deshalb das Front Desk nahezu belagerten. Damit die anderen Hotelgäste trotzdem zum Personal durchkommen, hatte der General Manager dann einfach ein Schwarzes Brett in die Lobby gestellt. Mit Informationen, die neben Englisch auch in der Landessprache Ukrainisch verfasst waren.

Ohne den Einsatz von Olga Bechmann wäre das Ganze zum Scheitern verurteilt gewesen, sagt der 61-Jährige. Seine stellvertretende Empfangschefin aus der Ukraine stand Tag und Nacht für die Flüchtlinge zur Verfügung und konnte die sprachlichen Barrieren überwinden. Nach ihr wurde auch die Facebook-Gruppe "Olga hilft" benannt, die parallel ins Leben gerufen wurde und über die weitere Helfer ins Spiel kamen.

"Haben sie bedient wie normale Gäste"
Natürlich sei auch der Rest des Teams voll eingebunden gewesen, allein schon wegen der drei Mahlzeiten am Tag, die serviert wurden. "Und da wir keine Zwei-Klassen-Gesellschaft wollten, haben wir den Ukrainern einen Bereich bei den Tagungsgästen eingeräumt", erzählt Hunzinger: "Wir haben sie bedient wie normale Gäste". Mit den anderen Hotelgästen habe es laut Hoteldirektor keine Probleme gegeben. Denn mit Beginn der Aufnahme wurde offensiv kommuniziert, dass im Moment die Flüchtlinge im Haus sind. Darauf hätten nahezu alle positiv reagiert, kaum jemand habe storniert oder dann nicht gebucht.

Auszeichnung vom Land Hessen
Mit der Facebook-Gruppe "Olga hilft" und Mundpropaganda sei eine Welle der Hilfsbereitschaft in der Nachbarschaft losgetreten worden, die manchmal schon zu viel war, so Hunzinger. "Die Leute haben dann säckeweise Kleidung gebracht, wir sind doch nicht das Rote Kreuz". Viel wichtiger sei es gewesen, Lebenshilfe zu organisieren. Das fing beim Wäsche waschen an und hörte bei Hilfe für Behördengänge sowie Kinderbetreuung und Deutschkursen auf. "Zu den Spitzenzeiten hatten wir acht Leute, Nachbarn und Mitarbeiter, die sich privat um die Reinigung der Klamotten gekümmert haben", sagt er.

Das sei in der Summe für jeden im Team ein Vollzeitjob gewesen, der nebenbei mitlief. Dafür das alle im Haus so mitgezogen haben, ist er sehr dankbar. Zumal nicht absehbar gewesen sei, wann das Engagement enden würde. Doch am 8. Mai haben die letzten Flüchtlinge ausgecheckt und sind in dauerhafte Unterkünfte der Stadt Hanau umgezogen. Nun kümmern sich Hunzinger und sein Team wieder um das Tagesgeschäft im Hotel. Und vom Land Hessen gab es für den Hoteldirektor und sein Team die Auszeichnung "Menschen des Respekts", die von Ministerin Priska Hinz im Kurhaus Wiesbaden überreicht wurde.

Sabine Schreiber-Berger

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