28. November 2018 | 12:09 Uhr
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Mailen

Italienisches Dorf verlangt von Touristen

Fünf Euro kostet ein Ticket, das den Zugang zu Polignano a Mare in der Region Apulien ermöglicht. Der Eintrittspreis sorgt in Italien für kontroverse Diskussionen. Kritiker fürchten, dass der öffentliche Raum kommerzialisiert wird. Befürworter sehen den Schritt, der mit einem winterlichen Lichterspektakel einhergeht, als Möglichkeit, auch außerhalb der Sommersaison Besucher anzulocken. 

Dabei diskutiert Italien im Moment eher die Folgen des Massentourismus. Florenz und Venedig leiden darunter. Venedig hat gerade erst Drehkreuz an den Zugängen der Lagunenstadt installiert, um den Ansturm zu regulieren. Eintrittspreise werden jedoch nicht erhoben. Und nun kommt ein Dorf, das im Sommer schon überlaufen ist, und lockt im Winter Touristen an – und verlangt dafür auch noch Eintritt. Eine Idee, die Schule machen könnte, befürchten Kritiker. Für den italienischen Umweltfonds (FAI) geht das gar nicht. Er erwägt eine Klage gegen das Ticketsystem vor Gericht. Der Zugang zu einem öffentlichen Ort dürfe nicht beschränkt werden. Andere sehen die Gefahr, dass beliebte Reiseziele zu Disney-Attraktionen verkommen.

Weihnachtsmarkt auf apulisch

In Polignano a Mare sieht man eher den Erfolg einer gelungenen Initiative. Während der Ort sonst im Winter leer ist, strömen diesmal die Besucher herbei. Allein am vergangenen Wochenende kamen 30.000 Touristen. Geschäfte, Hotels und Restaurants sind erstmals in dieser Jahreszeit offen. Das hat seinen Grund: Seit einem Monat illuminieren die Bewohner die verwinkelten Gassen und malerischen Plätze mit tausenden festlicher Lichter und lassen an den Drehkreuzen an den Eingängen des Dorfes nur zahlende Besucher ein. Mit der Initiative könnte das Dorf unabhängiger von der Saison werden. Das Ticketsystem soll die gesamte Weihnachtszeit bis zum Dreikönigstag am 6. Januar abdecken. Und für den Eintrittspreis erhalten die Besucher nicht nur Zugang zum Ort, sondern auch eine Tüte Popcorn, einen Donut, Zuckerwatte und ein Getränk.

Erste Nachahmer

Die nahe gelegene Stadt Alberobello, die für ihre "Trulli" bekannt ist, denkt über eine ähnliche Verdienstmöglichkeit nach. Der Ort wird jährlich von rund zwei Millionen Touristen besucht, und der Rat hofft, dass Hunderttausende von zusätzlichen Euro in die Kasse kommen könnten. Der kleine Weiler Civita di Bagnoregio, der sich nördlich von Rom auf einem Tuffsteinfelsen befindet, erhebt seit neuestem eine Touristengebühr von fünf Euro, bislang waren es 1,50 Euro. Das Dorf hat nur zehn Einwohner und wird jährlich von Hunderttausenden Touristen besucht.

Nach Italien reisten im Jahr 2014 knapp 49 Millionen Touristen, im Jahr 2016 waren es fast 51 Millionen. In diesem Jahr werden es wohl 57 Millionen sein. Wie sie im Land verteilt werden, damit Urlauber und Einheimische damit gut zurechtkommen, dürfte eine spannende Frage der nächsten Jahre sein.

Thomas Horsmann

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