Antalya wirbt für's Comeback
Als deutscher Journalist ist es in diesen Tagen nicht ganz leicht, einem türkischen Regierungsvertreter einigermaßen unbefangen zu begegnen. Zu präsent sind die Berichte über verhaftete türkische Kollegen, die zwangsweise Schließung vieler Publikationen, die Einschüchterung türkischstämmiger Medienvertreter in Deutschland. Menderes Türel, den Bürgermeister der wichtigsten touristischen Region des Landes, Antalya, hindert all dies nicht daran, in Deutschland auf Werbetour zu gehen. Und er kommt nicht allein. Unterstützt wird er etwa vom neuen Sun-Express-Chef Jens Bischof, dem Sprecher der Industrie- und Handelskammer von Antalya, Yusuf Hacisüleyman, Yasar Döngel, Mitglied im Vorstand des Airports Antalya, und Ahmet Barut, dem Besitzer der Barut Hotels.
Sie sind gekommen, um so viel wie möglich über Tourismus zu reden und so wenig wie möglich über Politik. Schließlich musste Antalya im vergangenen Jahr einen Besucherrückgang um 40 Prozent hinnehmen, die Umsätze sanken aufgrund niedriger Preise, vor allem im Kurzfristgeschäft noch stärker. Der deutsche Quellmarkt erlebte in Antalya einen Besucherrückgang um rund 30 Prozent. Das soll sich in diesem Jahr nicht wiederholen, darüber sind sich die Vertreter der Abordnung einig.
Reichen gute Preise? Und so präsentiert die Abordnung aus Antalya in schöner Eintracht die Klassiker der Argumentationsketten für den Türkei-Tourismus – vom einmaligen Preis-Leistungs-Verhältnis, das dieses Jahr noch besser sei, über die lange deutsch-türkische Tourismus-Historie bis hin zu Erkenntnissen aus der Vergangenheit, die ihren Einfluss auf die Zukunft nicht verlieren sollen: Demnach erholte sich die Türkei-Nachfrage nach Rückschlägen immer wieder schnell, sobald eine Weile nichts passierte. Hauptsache, der Preis stimmt. Bis zum vergangenen Jahr, als die Türkei sich nicht nur einer Serie von Terror-Anschlägen ausgesetzt sah, sondern auch einem gescheiterten Putsch und einer innenpolitisch autoritären und außenpolitisch konfrontativen Politik ihres Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.
Mit einem ziemlich pragmatischen Statement unterstreicht Antalyas Airport-Manager Döngel seine Hoffnung, dass sich das wieder ändert. Weder komme die Türkei langfristig gut ohne den deutschen Markt aus, noch die deutsche Touristik ohne die Türkei. Zudem seien viele Urlauber von den Erfahrungen in anderen Destinationen im vergangenen Jahr frustriert, sagt er. Da mag etwas dran sein. Aber reicht das, um die Bedenken auszuräumen?
Für die Touristiker ist die Antwort klar. Die Politik werde den Drang deutscher Urlauber, in die Sonne der preisgünstigen Türkei zu reisen, langfristig nicht bremsen, beteuern sie unisono. Andere Quellmärkte seien ohnehin schon entschieden auf dem Wege der Besserung. So wie Russland, das die Grenzen Richtung Türkei nach dem Abschuss einer russischen Militärmaschine kurzerhand dicht machte, im Zuge einer neuen Männerfreundschaft zwischen Vladimir Putin und Erdogan in diesem Jahr aber bereits wieder drei Millionen Urlauber schicken soll. Auch der Quellmarkt Ukraine floriere, sagt Döngel. Ebenso wie Israel; und die Nachfrage aus Indien und China wachse ebenfalls. Daraus ergebe sich gegenüber 2016 eine Wachstumsperspektive von 50 bis 60 Prozent. Das sei ermutigend, auch wenn man damit die Zahlen von 2015 noch nicht wieder erreichen werde.
Hoffnung auf das Kurzfrist-Geschäft. Im Hinblick auf den deutschen Markt sind die Prognosen der Türken durchaus bescheidener. Der angestrebte Wert liegt in etwa bei den rund zwei Millionen Besuchern des Vorjahres. Ein großer Teil der Kapazität werde im Kurzfristgeschäft verkauft werden – wenn nicht bis dahin die Airlines zu viele Kapazitäten gestrichen hätten. Sun-Express-Chef Bischof, dessen deutsch-türkisches Joint Venture in Antalya immerhin 2.500 Mitarbeiter beschäftigt, will die Gelegenheit nutzen, um sich Marktanteile zu sichern. Seine Airline habe die Kapazität sowohl für die Türkei insgesamt als auch für Antalya um rund ein Viertel aufgestockt, sagt er.
Wenn es dann doch mal um Politik geht, überlassen die Touristiker Antalyas Bürgermeister Türel kampflos das Feld. Der ist ein strammer Vertreter der Regierungspartei AKP, nach eigenem Bekunden Vertrauter des Präsidenten, und beklagt die "Missverständnisse" die es zwischen der Türkei und Deutschland gebe. Die sind natürlich mediengemacht, sagt er. So habe das deutsche Fernsehen kolportiert, der Putsch, bei dem er selbst um ein Haar umgekommen wäre, sei von Erdogan inszeniert gewesen, klagt er nicht ganz wahrheitsgemäß. Sein Rezept: Die anwesenden Journalisten sollten nach Antalya reisen und sich vergewissern, dass dort "alles normal" sei. Entspannung, Sonne und noch mehr Sicherheit als bisher. (CS)