7. Januar 2025 | 17:23 Uhr
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Wie Kanadas Metis den Tourismus entdecken – und umgekehrt

Taugt die indigene Geschichte Kanadas zum spannenden Reiseprodukt? Offenbar ja, wie die Metis Crossing Lodge in der Provinz Alberta zeigt. Hier präsentieren die Nachfahren europäischer Pelzhändler und indigener Frauen stolz ihre Herkunft, Kultur und Traditionen. Ein Ort der Geschichtenerzähler, zum Mitmachen und des Bison-Comebacks.

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Joe Urie, Chef der Jasper Tour Company, erzählt gerne Geschichten über seine Herkunft und die seiner Volksgruppe, der Metis

Joe wirft ein Holzscheit in die Glut, damit das Feuer nicht ausgeht. Ein Dutzend Touristiker sitzt im Kreis um ihn herum, eingemummelt in dicke Filzponchos. Hier am North Saskatchewan River im kanadischen Alberta wird es auch im Juni abends frisch. Die Reiseprofis lauschen Joe Urie. Der 58-Jährige erzählt Geschichten – vom Adler, der hoch über uns kreist, von der Bedeutung des Tabaks für die First Nations und von seinen eigenen Wurzeln. Joes Vorfahren kamen aus Frankreich, seine indigene Seite stammt von den Cree. Seine Geschichte ist die der indigenen Volksgruppe Metis.

Der Ort passt. Wir sind in Metis Crossing, einer komfortablen Lodge rund 100 Kilometer nordöstlich der Großstadt Edmonton (Foto unten). Metis Crossing ist allerdings mehr als eine Unterkunft. Hier werden Traditionen gepflegt, die Geschichte Metis erzählt und Bisons in geschützter Umgebung gehalten. Für Kanada-Reisende ein faszinierender Stopp, der sie in die Pionierzeit Kanadas eintauchen lässt. Joe ist einer der Metis, die ihre Volksgruppe Besuchern nahebringen wollen. Das macht er auch professionell als Chef seiner Jasper Tour Company.

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Metis haben europäische und indigene Wurzeln

Die Metis haben ihren Ursprung Ende des 18. Jahrhunderts. Damals besiedelten europäische Pelzhändler den mittleren Westen Nordamerikas und machten Geschäfte mit den First Nations. Die Siedler kamen vorwiegend aus Irland, Schottland und Frankreich. Sie heirateten Frauen der First Nations und blieben, viele ließen sich in der Nähe von Winnipeg nieder. Die Kinder aus der gemischten Herkunft gründeten später die Metis-Nation. Es entstand eine eigene Kultur mit besonderen Traditionen, Sprachen und Lebensweisen.

Lange Zeit galten Metis in Kanada aber nicht als indigenes Volk, sie mussten dafür kämpfen und erst 2019 erhielten sie diesen Status. Aus Furcht vor Diskriminierung trugen viele ihre Abstammung nicht in die Öffentlichkeit. Das ist heute anders. Die meisten Metis sind stolz auf ihre indigenen Wurzeln und verstecken sich nicht mehr. Eine knallrote gemusterte Schärpe um den Bauch ist ein plakatives Erkennungsmerkmal, das zu bestimmten Anlässen getragen wird. Eine waagerechte 8, das Zeichen für Unendlichkeit, ist das Flaggensymbol der Metis. Das Zeichen findet sich oft auf Kleidung und Schmuck. Damit demonstrieren Metis ihre Zugehörigkeit. In Kanada leben heute mehr als eine halbe Million Metis.

Juanita Marois ist eine von ihnen und man sieht ihr – wie vielen anderen Metis – die indigenen Wurzeln nicht an. Die Chefin von Metis Crossing ist blond. Seit über 20 Jahren arbeitet Marois als Managerin im Tourismus. Sie ist in zahlreichen Gremien engagiert, etwa bei Travel Alberta. Selbstbewusst trommelt sie für ihre Volksgruppe, seit 2019 leitet sie Metis Crossing.

Sterne und Polarlichter gucken im Sky Watch Dome

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Eine Art Genossenschaft, die den Metis gehört, hat über 25 Millionen Dollar in Metis Crossing investiert. Doch kurz nach der Eröffnung der Lodge begann die Corona-Krise und bremste die Pläne des Kulturzentrums zunächst aus. Doch dies haben Marois und ihr Team hinter sich gelassen und Metis Crossing seine Feuertaufe im Tourismusbusiness bestanden.

Die Lodge thront über dem Fluss und hat 40 geräumige und modern ausgestattete Zimmer. Dazu kommen sogenannte Sky Watching Domes, igluförmige Unterkünfte mit Glasdach (Foto oben). Vom Sofa oder Bett aus lässt sich der Sternenhimmel beobachten, der wegen der geringen Lichtverschmutzung hier besonders eindrucksvoll funkelt. Von Herbst bis ins Frühjahr sind mit etwas Glück auch Polarlichter sichtbar. Stellplätze für Wohnmobile und Trapperzelte bietet Metis Crossing ebenfalls. Metis-Kultur kommt auch auf den Tisch. In Bistro und Restaurant serviert die Küche traditionelle Gerichte, aber auch Fusionsküche, die indigene und moderne Rezepte mischt.

Das Leben der Metis vor 150 Jahren

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Das frühere Leben der Metis wird überall auf dem Gelände lebendig. Auf geführten Touren lernen Besucher Pflanzenarten der Region und ihren Nutzen kennen, erfahren mehr über Biberfelle und die Eigenarten der begehrten Tiere. Im Nachbau eines Hauses tauchen sie in das Leben einer Metis-Familie aus dem frühen 19. Jahrhundert ein (Foto oben). Das Haus ist voll eingerichtet, die Utensilien wie Ofen oder Werkzeuge dafür wurden aus dem ganzen Land zusammengetragen. Im Garten nebenan wachsen Gemüse und Zutaten für die Metis-Küche.

Das Buffalo Camp erzählt vom Leben der Bisonjäger. Heute werden die Tiere hier im Metis Crossing Wildlife Park gehegt und gepflegt. Die mächtigen Bisons waren einst vom Aussterben bedroht, im umzäunten Park können sie sich geschützt wieder vermehren. Rund 60 Tiere streifen über das weitläufige Gelände, auf geführten Jeep-Touren bekommen Besucher sie vor die Kamera. Besonders begehrt sind Fotos der Albino-Bisons mit ihrem fast weißen Fell (Foto unten).

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Aktiv werden Besucher auf dem Saskatchewan River. Im Kanu paddeln sie ein paar Kilometer bis Victoria Settlement Provincial Historic Site. Dort erwarten sie Männer und Frauen in historischer Kleidung aus der Zeit, als die Hudson Bay Company mit ihren Siedlungen immer weiter gen Westen vordrang. Das Victoria Settlement sind die Überreste eines Forts aus dieser Zeit, in dem das Leben und die Arbeit nachgestellt wird.

Metis Crossing in Veranstalterprogrammen zu finden

Reisebüros in Deutschland finden die Metis Crossing Lodge zum Beispiel bei Dertour, Canusa, America Unlimited oder Lernidee im Programm. Die Unterkunft ist ganzjährig geöffnet, im Winter werde etwa Schneeschuhtouren angeboten. Im Sommer gibt es Ausflüge und Touren zusammen mit Übernachtungen als Packages. Auch Kombinationen ab Edmonton mit dem Elk Island Nationalpark sind buchbar.

Thomas Hartung

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