Wie Cashback-Modelle den Reisebürovertrieb belasten
Reisebürochef Alain Freeman (Foto) ist genervt über den Verlust von Kunden an Portale und branchenfremde Anbieter, die mit Rückvergütungen werben. Er sieht darin eine Wettbewerbsverzerrung zulasten stationärer Reisebüros, die Beratung leisten, aber oft leer ausgehen. Freeman fordert eine faire Provisionsstruktur, klare Regeln für Vertriebskanäle – und mehr Solidarität von Reiseveranstaltern.

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Alain Freeman betreibt das Reisecenter Earlybird Bergedorf
Alain Freeman betreibt mit dem Reisecenter Earlybird ein kleines, etabliertes Reisebüro in Hamburg-Bergedorf. Jede Woche, so berichtet er, verliere er mindestens einen Kunden an Anbieter wie Check24, Ab-in-den-Urlaub oder inzwischen auch Bild Reisen, die Rückvergütungen von bis zu 300 Euro bieten. Besonders ärgert ihn: "Wir beraten mit bestem Wissen, der Kunde nimmt das mit – und bucht dann woanders, um sich das Cashback zu sichern."
Freeman vergleicht das Vorgehen mit einem Basar, auf dem jedoch keine Ware, sondern Dienstleistung gehandelt werde. "Der Preis allein entscheidet – unsere Arbeit wird entwertet." Dass auch branchenfremde Anbieter wie Banken über Kontomodelle wie den Haspa Joker der Hamburger Sparkasse mit Rabatten werben, verschärfe das Problem zusätzlich.
Kaution statt Beratungsgebühr
Um sich abzusichern, erhebt Freeman bei Erstkontakt eine Kaution von 25 bis 100 Euro. Diese wird bei Buchung verrechnet. Wird nicht gebucht, bleibt zumindest ein Teil der investierten Zeit honoriert. "Wir wollen unsere Kunden nicht bestrafen, aber unsere Arbeit muss einen Wert haben", sagt er.
In der Praxis sei das System ein Filter: Viele Anfragen kämen unpersönlich, zum Beispiel über WhatsApp. Lehne ein Interessent die Kautionsvereinbarung ab, deute das auf reine Preisvergleiche hin – ohne Buchungsabsicht. "Diese Kunden suchen nur ein Angebot, um es bei einem Rückvergüter einzulösen", so Freeman.
Rückvergütungen gefährden Geschäftsmodell
Der Reiseprofi betont, dass insbesondere Onlineportale mit Provisionssätzen von 14 bis 16 Prozent operierten – weit mehr als Reisebüros erhalten. "Kein Wunder, dass sie Rückvergütungen geben können", sagt er. Die klassischen Büros stünden mit etwa zehn Prozent deutlich schlechter da. Seine Forderung: "Stationäre Reisebüros sollten ab der ersten Buchung mindestens elf Prozent erhalten."
Die Branche müsse sich zudem fragen, ob es gerecht sei, wenn Dritte – etwa Sparkassen oder Supermärkte – als Vertriebsplattformen agieren und dabei die gleiche Provision wie Reiseprofis erhalten. Für Freeman gehört der Fremdvertrieb ausgeschlossen: "Diese Anbieter haben im Reisegeschäft nichts verloren."
Freeman schlägt eine klare Trennung vor: in stationäre Reisebüros, Onlineportale und branchenfremde Anbieter. Letztere sollten keine Provision mehr erhalten, die Onlineportale mit geringeren Sätzen arbeiten. Der Markt werde sich neu sortieren, glaubt er – ohne Schaden für die Reiseveranstalter. „Die Kunden, die nicht mehr online sparen können, kommen zurück ins Reisebüro.“
Code of Conduct als Lösung
Eine Lösung sieht Freeman in einem verbindlichen Verhaltenskodex. "Ein Code of Conduct, in den Agenturverträgen verankert, könnte Rückvergütungen unterbinden." Veranstalter sollten selbst entscheiden, mit wem sie zusammenarbeiten. Wer sich nicht an die Spielregeln halte, könne ausgeschlossen werden.
Er erinnert sich an Zeiten, in denen Agenturen aufwendig geprüft wurden, bevor sie Verträge erhielten – heute, so scheint es ihm, reiche ein Online-Zugang. "Dabei sind es doch wir, die die Basis gelegt haben für den Erfolg der Reiseveranstalter."
Ruf nach Solidarität und Veränderung
Der Reisebürochef sieht den stationären Vertrieb als systemrelevant für die Touristik. Sie stünden für persönliche Beratung, individuelle Betreuung und Kundenzufriedenheit – vor, während und nach der Reise. "Wir verkaufen Lebensfreude, nicht nur Produkte", sagt er. Umso wichtiger sei es, dass Veranstalter ihren stationären Partnern den Rücken stärkten.
Trotz aller Kritik bleibt er optimistisch: "Ich glaube an unseren Beruf – aber wir dürfen nicht schweigen." Wenn die Branche ihre eigenen Vertriebswege schützen wolle, müsse sie jetzt handeln – bevor Rückvergütungen zum Standard und Reisebüros zur Randerscheinung würden.
Christian Schmicke
Den Reise vor9 Podcast mit Alain Freeman hören Sie hier:
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