30. November 2016 | 13:12 Uhr
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Pilotenstreik bringt Reisebüros Arbeit und

Zweieinhalb Stunden in der Warteschleife des Callcenters, Buchungen überwachen, Flüge umbuchen, Kunden beruhigen – viele Reisebüros sind massiv von den Streiktagen bei Lufthansa betroffen. Für Agenturen, die überwiegend im touristischen Bereich unterwegs sind und Pauschalreisen verkaufen, ist der zusätzliche Aufwand meist noch überschaubar, wenngleich der starke Ausbau touristischer Strecken Lufthansa auch in diesem Segment zu einem wichtigen Player gemacht hat. Doch auch für sie haben die Streiktage mitunter fatale Nebenwirkungen: "Wir haben eine Gruppe mit 50 Teilnehmern, die bei uns Lufthansa-Flüge zu einer Kreuzfahrt ab Miami, USA, gebucht haben", berichtet ein Reisebüroinhaber. Für deren Anreise zum Schiff musste dringend eine Alternative gefunden werden. Vor allem sind es aber Reisebüros mit Firmendienst, die sich einer wahren Flut zusätzlicher Aufgaben gegenüber sehen. "Wir tun den ganzen Tag nichts anderes, als den Flugstatus unserer Firmenkunden zu checken und zu telefonieren", klagt eine Reisebüromitarbeiterin.

Für viel Unmut im Vertrieb sorgt die eingangs erwähnte Warteschleife beim Lufthansa-Callcenter. Die raubt den Reiseprofis nicht nur Zeit, sondern führt auch dazu, dass die Expedienten für andere Kunden telefonisch schwer erreichbar sind. Im schlechtesten Fall hören die Reiseverkäufer beim Versuch, mit Lufthansa Kontakt aufzunehmen, die Ansage: „Wir bekommen derzeit viele Anrufe – rufen Sie bitte später wieder an." Dann landet das Büro nicht einmal in der Warteschleife, sondern fliegt einfach aus der Leitung. Immerhin: Den Teams in den Lufthansa-Servicecentern attestieren zahlreiche Expedienten, dass sie ungeachtet ihrer eigenen Stresssituation ihr bestens geben – vorausgesetzt, man hat erst einmal einen Ansprechpartner erreicht.

Viel Arbeit für nichts als den guten Ruf

Auf heftige Kritik stößt auch die Tatsache, dass Lufthansa zwar ihre Kunden direkt über Flugausfälle informiert. Reisebüros hingegen müssen diese Informationen in der Regel auf der Lufthansa-Website manuell checken. Größter Stein des Anstoßes ist allerdings die Tatsache, dass die Reisebüros für ihren Mehraufwand keine Vergütung erhalten. Lufthansa hat bislang keinerlei Bereitschaft signalisiert, die betroffenen Agenturen monetär zu entschädigen. Und von den Kunden Geld zu verlangen, deren Flüge gestrichen werden, trauen sich die Reiseverkäufer in der Regel nicht. Im Gegenteil – fast alle erstatten ihren Kunden neben dem Flugpreis auch die bereits kassierte Servicegebühr zurück. Dass sie neben dem eigentlichen Ticketpreis oft auch noch das Geld für Zusatzleistungen wie Sitzreservierungen für ihre Kunden zurückverlangen müssen, macht die Sache nicht einfacher. Einige Reisebüroinhaber kündigen bereits an, sie wollten Lufthansa-Chef Carsten Spohr eine Rechnung für den zusätzlichen Aufwand schicken.

Bei 69 Prozent der Reisebüros verursacht der Streik wirtschaftlichen Schaden

In konkreten Zahlen drückt sich die Stimmungslage im stationären Vertrieb angesichts des Pilotenstreiks in einer Umfrage des B2B-Newsletters "Counter vor9" aus, an der am Mittwoch mehr als 400 Vertriebsprofis teilnahmen. 72 Prozent der Befragten geben an, dass ihnen der Streik jede Menge Mehrarbeit abverlange. Weitere 21 Prozent sehen sich mit einem begrenzten Zusatzaufwand konfrontiert. Umbuchungen und Stornierungen machen dabei den Löwenanteil der zusätzlichen Arbeit aus. Nur 23 Prozent der Reisebüros fühlen sich in der aktuellen Situation von Lufthansa angemessen unterstützt. 86 Prozent drängen auf die Einrichtung zusätzlicher Service-Hotlines, zwei Drittel fordern eine bessere Erreichbarkeit im Allgemeinen. Für 69 Prozent der Büros bedeutet der Streik einen wirtschaftlichen Schaden. 79 Prozent stellen fest, dass ihre Kunden auf andere Fluggesellschaften ausweichen, 19 Prozent halten dies allerdings nur für einen kurzfristigen Effekt. Das Verständnis der Reisebüros für die Anliegen der Piloten hält sich unterdessen in engen Grenzen. Lediglich sieben Prozent der Befragten signalisierten dazu ihre Zustimmung. (CS)