3. September 2025 | 16:23 Uhr
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Fragen und Antworten zur anstehenden DRV-Wahl

Eine Woche vor dem Ablauf der Bewerbungsfrist für den DRV-Vorstand finden sich viele bekannte Gesichter unter den Aspiranten. Fast alle dürften eher für Kontinuität als für Wandel stehen. Einzige Kandidatin für die Präsidentschaft bleibt bis dato VUSR-Chefin Marija Linnhoff.

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Die Wahl für den DRV-Vorstand rückt näher; eine ganze Reihe von Fragen ist noch ungeklärt

Vor der DRV-Vorstandswahl positionieren sich weitere Bewerber. LCC-Chef Markus Orth will den Mittelstand stärken, Personal fördern und Bürokratie abbauen; Dertour-Manager Mark Tantz setzt auf Pauschalreise, DRSF-Entgeltsenkung und stabile Strukturen. Für die Säule A der konzernunabhängigen Reisemittler treten Ralf Hieke, Joachim Horn und – als bislang einzige neue Kandidatin – die Reisebüroinhaberin Ann-Katrin Lukasiewicz an. Ute Dallmeier will erneut Finanzchefin des Verbandes werden. In der Säule E der assoziierten Mitglieder hat Kommunikationsexpertin Ulrike Katz ihre erneute Kandidatur angekündigt.

Die Präsidiums- und Vorstandswahlen des Deutschen Reiseverbands stehen am 10. Oktober während des Hauptstadtkongresses in Berlin an. Insgesamt sind 15 Posten zu besetzen. Kandidaturen müssen bis zum 11. September, 23:59 Uhr, eingereicht werden. Stimmberechtigt sind ordentliche und assoziierte Mitglieder; die Versammlung ist beschlussfähig, wenn mindestens zehn Prozent der 3.263 Stimmen vertreten sind.

Mittelstand, Personal, weniger Bürokratie, DRSF

Markus Orth, Managing Director von Lufthansa City Center, bewirbt sich für eine weitere Amtszeit im Vorstand der konzerngebundenen Reisemittler (Säule B). Er sieht die Branche an einem "Wendepunkt" und kündigt an, die "Rahmenbedingungen der Branche aktiv mitzugestalten – mit klarer Haltung und einer starken Stimme für den Mittelstand". Das Berufsbild im Vertrieb solle moderner und attraktiver werden, vor allem für den Nachwuchs, so Orth. Zudem will er klassische Beratung mit digitalen Services verknüpfen und KI "als Chance" nutzen. Politisch fordert er weniger Eingriffe: "Reisevertriebe brauchen Gestaltungsräume statt Überregulierung." Beim Kundengeldschutz plädiert Orth dafür, die Sicherheit der Pauschalreise zu bewahren, ohne Reisebüros mit zusätzlichen Pflichten zu belasten.

Mark Tantz, Chief Operating Officer Dertour Central Europe, kandidiert erneut als Vizepräsident der Konzernreiseveranstalter (Säule D). Er will nach eigenem Bekunden die Pauschalreise als "Goldstandard" sichern und vor Überregulierung schützen. Beim Deutschen Reisesicherungsfonds begrüßt er die beschlossene Entgeltsenkung auf 0,5 Prozent zum 1. November, fordert aber weitere Schritte, sobald der Fonds voll sei und keine Entnahmen erfolgten.

Säule A mit drei Kandidaten

Für die mittelständischen Reisemittler (Säule A) tritt Joachim Horn, Geschäftsführer der Derpart-Reisebüros Horn, erneut an. Er will die wirtschaftliche Situation der Reisebüros verbessern, den Handelsvertreterstatus sichern, "auskömmliche Provisionen" und die Vergütung außerordentlicher Leistungen durchsetzen. Horn drängt auf Nachwuchsförderung und kritisiert zu viele Regulierungen, die effektives Arbeiten behinderten.

Neu bewirbt sich Ann-Katrin Lukasiewicz, Inhaberin der Reiseagentur Grenzenlos in Emsdetten. Sie will das Reisebüro für junge Menschen attraktiver machen, Brücken "zwischen Erfahrung und neuen Ideen" bauen und Nachhaltigkeit "zeitgemäß" adressieren. Bei ihrer Kandidatur für die Säule A verstehe sie sich als "praxisnahe Stimme" aus dem Vertrieb, sagte sie dem Fachportal FVW.

Linnhoff setzt auf Reformkurs

Als bislang einzige Kandidatin für das Präsidentenamt hat sich öffentlich bekanntermaßen die Vorsitzende des Reisebüroverbandes Marija Linnhoff erklärt. Sie wirbt für mehr Transparenz, breitere Mitsprache der Mitglieder und digitale Modernisierung, wie sie im Gespräch mit Reise vor9 betont. Ziel sei ein Verband als "starke, vereinigende Stimme des Outgoing-Tourismus". In der politischen Arbeit kündigt sie "klare Botschaften, stärkere Präsenz und mehr Sichtbarkeit" an. Den DRV als DRSF-Gesellschafter wolle sie "aktiver und verantwortungsvoller" aufstellen.

Auffällig an der bis jetzt ersichtlichen Kandidatenliste sind vor allem zwei Aspekte: bis auf Lukasiewicz gehören alle Bewerberinnen und Bewerber bereits der DRV-Führung an. Die zweite, vielleicht nicht ganz überraschende Erkenntnis: Noch immer hat sich kein Gegenkandidat zu Linnhoff, die unter den amtierenden DRV-Vorständen nicht allzu viele Freunde hat, aus der Deckung gewagt. Linnhoff selbst weiß nach eigenen Worten auch nicht, wer da antreten könnte. Gleichwohl halten es die meisten Branchenvertreter, mit denen Reise vor9 zuletzt sprach, für überwiegend wahrscheinlich, dass sich bis zum 11. September noch ein Kandidat oder eine Kandidatin findet.

Volles Aufgabenheft

Unabhängig davon kommen auf den neuen Vorstand eine Reihe drängender inhaltlicher Aufgaben zu. So schmerzt der Verlust des zuvor größten Mitglieds TUI den DRV bis heute und schwächt seine Position in der Lobbyarbeit. Sollte ein Aspirant Chancen sehen, den nicht zuletzt wegen einer Dominanz früherer oder aktueller Dertour-Vertreter ausgetretenen Branchenprimus zurückzuholen, würde das seine oder ihre Wahlchancen sicher steigern.

Zum anderen präsentiert sich die ursprünglich zum Interessenausgleich konzipierte und lange erfolgreiche Säulenstruktur nach der Pleite von Thomas Cook und FTI sowie dem TUI-Austritt mittlerweile als nahezu groteskes Konstrukt. So gibt es in der Säule D neben der Dertour Group nur noch Aida Cruises und den hierzulande bislang nicht sehr präsenten britischen Veranstalter Loveholidays. Und auch in der Säule B der konzerngebundenen Reisemittler herrscht neben der Dertour Group gähnende Leere – zumal sich nicht zwingend erschließt, an welchen Konzern die ebenfalls der Säule angehörige Kette Lufthansa City Center denn gebunden ist.

Auch jenseits struktureller und finanzieller Themen zeichnet sich für den künftigen Vorstand eine volle Agenda ab; sei es die EU-Reform der Pauschalreiserichtlinie, die Digitalisierung, der Klimawandel oder der Zusammenhalt innerhalb der sehr heterogenen Branche. Angesichts dieser Herausforderungen wird auch die Frage, ob ein künftiger DRV-Präsident wie zuletzt ehrenamtlich oder mit auskömmlicher Vergütung arbeiten soll, noch nicht abschließend geklärt sein.

Christian Schmicke

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