ASR-Chefin warnt vor überzogenen Hinweispflichten
Im Streit um mögliche Hinweispflichten von Reisebüros im Zuge der FTI-Insolvenz warnt der Verband Allianz Selbständiger Reiseunternehmen (ASR) vor überzogenen Erwartungen an den Vertrieb. Präsidentin Anke Budde (Foto) meint, dass Reisebüros die wirtschaftliche Lage von Veranstaltern nicht prüfen könnten und dafür auch nicht haftbar gemacht werden dürften.
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Anke Budde sieht Reisebüros nicht in der Pflicht, die Solvenz ihrer Handelsherren zu überprüfen
Budde warnt vor einer Entwicklung, die die unternehmerische Freiheit und Vielfalt der Branche gefährden könnte. "Reisebüros sind keine Wirtschaftsprüfer", sagt die ASR-Präsidentin. "Diese Verantwortung liegt bei den Insolvenzversicherern und den Aufsichtsbehörden."
Die Verbandschefin betont, dass Reisebüros täglich unternehmerische Entscheidungen träfen und ihre Partner mit Sorgfalt auswählten. Sie müssten sich dabei auf bestehende Sicherungssysteme verlassen können, statt auf Gerüchte zu reagieren. "Wenn wir bei jedem Hinweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten in Panik verfallen und vorsorglich Geschäftsbeziehungen beenden, dann ist unsere gesamte Wirtschaft alsbald kaputt", warnt sie.
Hinweispflichten sind bereits umfangreich
Reisebüros seien verpflichtet, Kundinnen und Kunden über den Unterschied zwischen Pauschalreisen und Einzelleistungen zu informieren – und sie erfüllten diese Pflicht, so Budde weiter. Eine zusätzliche Verantwortung, die finanziellen Risiken von Veranstaltern vorherzusehen, sei "schlicht nicht umsetzbar". Bereits jetzt trügen Büros im Insolvenzfall wirtschaftliche Verluste, etwa durch entgangene Provisionen.
Gerade im mittelständisch geprägten Markt arbeiteten viele Reisebüros mit kleineren, spezialisierten Veranstaltern zusammen. Deren Vielfalt sei eine Stärke der Branche. "Wie sollen Reisebüros die wirtschaftliche Lage solcher Anbieter realistisch einschätzen können?", fragt die Verbandschefin. Eine solche Pflicht würde aus ihrer Sicht zu einer "Aushöhlung der Marktvielfalt" führen. "Wir müssen weg von der Vollkasko-Mentalität", sagt sie.
Keine Einigkeit unter Verbänden
Anlass der Stellungnahme ist ein laufendes Verfahren vor dem Amtsgericht Nordhorn. Dort wird verhandelt, ob ein Reisebüro seine Kunden im März 2024 vor einer drohenden FTI-Pleite hätte warnen müssen. Der Fall dreht sich um eine Hotelbuchung in Venedig, die nach der Insolvenz hinfällig wurde. Der Kunde fordert vom Reisebüro Ersatz für die Mehrkosten einer Neubuchung.
Der Prozess ist brisant, da er klären könnte, ob Reisebüros künftig eine aktive Hinweispflicht bei wirtschaftlichen Risiken von Veranstaltern haben. Im Zeugenstand sagte unter anderem Marija Linnhoff, Chefin des VUSR, aus, die bereits im Februar 2024 öffentlich vor FTI gewarnt hatte.
Weiter im Clinch
Ohne Linnhoff ausdrücklich zu adressieren, lässt Budde in der Mitteilung eine Spitze gegen sie los: "Wer vorgibt, Reisebüros zu vertreten, aber faktisch gegen sie agiert, stellt sich gegen die Branche", sagt sie. Unter den Verbänden herrscht auch in dieser Angelegenheit keine Einigkeit. So hatte der DRV gegenüber dem Gericht ebenfalls erklärt, bewusst nicht gewarnt zu haben – wohl, um keine Kettenreaktion auszulösen.
Das für den 13. November erwartete Urteil könnte weitreichende Konsequenzen haben. Sollte das Gericht den Klägern recht geben, drohen Klagewellen und eine Ausweitung der Haftungsrisiken für Reisebüros. Ein weiteres ähnliches Verfahren ist vor dem Amtsgericht Bad Homburg anhängig.
Christian Schmicke