8. August 2022 | 14:00 Uhr
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Schifffahrt unter Ausbeutungsverdacht

Hochqualifizierte Seeleute aus Äthiopien arbeiten – auch an Bord von Kreuzfahrtschiffen – oftmals in Jobs unter ihrem Ausbildungsniveau. Zudem müssen sie über Jahre die Hälfte ihres ohnehin nicht üppigen Lohnes an eine Hamburger Agentur abdrücken; angeblich um die hohen Ausbildungskosten bei einer äthiopischen Marineakademie abzustottern.

Kreuzfahrtschiff

In der Seefahrt gelten strikte Hierarchien

Über den Fall berichtet die Süddeutsche Zeitung in ihrer Wochenendausgabe. Demnach muss ein Äthiopier mit Ingenieursstudium an der Marineakademie an Bord eines Kreuzfahrtschiffes als "Wischer", also als Reinigungskraft im Maschinenraum, arbeiten. Für bis zu 13 Stunden Arbeit an sieben Tagen der Woche erhalte er 1.150 Dollar im Monat, von denen er 575 Dollar an die Hamburger Agentur EMA Marine GmbH zahlen müsse. 

Laut dem Bericht legte der Seemann der Zeitung sowohl seinen Arbeitsvertrag als auch Dokumente zu seiner Qualifikation an der äthiopischen Marinehochschule EMTI vor. Demnach bürden sich Absolventen einen Ausbildungskredit in Höhe von 33.000 Euro auf und müssen sich verpflichten, zwölf Jahre ausschließlich durch die Hamburger Agentur vermittelt zu werden. Ihre Familien müssen einen Scheck in Höhe von 19.000 Euro bei der Akademie hinterlegen; für den Fall, dass die Absolventen "desertieren". Dann kassiert die Agentur neben einer Vermittlungsgebühr von der Reederei 50 Prozent des Gehalts, wenn dieses über 1.000 Euro im Monat liegt. Bei noch geringeren Löhnen sind es 30 Prozent.

Akademie und Agentur gehören zur selben Firmengruppe

Laut Vertrag leitet die Agentur EMA das Geld an die EMTI weiter, bis der "Ausbildungskredit" abbezahlt ist. Pikant sind daran unter anderem zwei Dinge. Sowohl die Agentur als auch die Akademie sind Teil der US-amerikanischen Firmengruppe YCF, gehören also zu ein und demselben Konzern. Und: laut dem Bericht bezeichnen Fachleute die vermeintlichen Ausbildungskosten als maßlos überhöht. So zahle man in Japan für eine vergleichbare vierjährigen Ausbildung etwa 13.500 Euro; auf den Philippinen koste sie rund 3.500 Euro.

Die äthiopische Akademie, die 2011 in Partnerschaft mit der Regierung des Landes eröffnet wurde, spricht laut der Süddeutschen von einem "revolutionären Konzept", weil die Gebühren erst zurückgezahlt werden müssten, wenn die Seeleute "überschüssiges Einkommen" hätten. Von den befragten Reedereien, unter denen unter anderem Aida Cruises war, gab es nach Angaben der Redaktion keine Stellungnahme.

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