26. August 2020 | 16:28 Uhr
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Mitarbeiter stimmen über Schicksal ihrer Kollegen ab

Der Schweizer Veranstalter Globetrotter greift angesichts des bevorstehenden Stellenabbaus zu ungewöhnlichen Maßnahmen. Die Mitarbeiter entscheiden in Abstimmungen darüber, welche ihrer Kollegen im Unternehmen bleiben dürfen. CEO Dany Gehrig (Foto) hält das für eine gute Idee.

Gehrig Dany

Dany Gehrig lässt über den Verbleib von Mitarbeitern abstimmen

Dem Reiseveranstalter, der bislang auch 21 eigene Reisebüros in der deutschsprachigen Schweiz betrieb, geht es in der Corona-Krise nicht anders als anderen. So rechnet Globetrotter-COO Dany Gehrig für dieses Jahr mit einem Umsatzeinbruch von 70 bis 80 Prozent, und auch im kommenden Jahr sei ein Minus von 40 Prozent wahrscheinlich.

Das führt dazu, dass das Unternehmen Standorte schließt und Arbeitsplätze abbaut. Allerdings wollen darüber, wer das Unternehmen verlässt und wer nicht, nicht die Chefs entscheiden. Stattdessen sollen Mitarbeiter, die im Unternehmen bleiben wollen, bei ihren Kollegen für sich werben. Diese entscheiden nämlich darüber, wer die Firma verlassen muss und wer nicht. Bis Anfang September wird noch abgestimmt.

Als "Globokratie", eine "auf das Unternehmen angepasste Form der Soziokratie", bezeichnet Globetrotter in einer Pressemitteilung dieses Vorgehen, das es den Mitarbeitenden ermögliche, die Zukunft ihres Unternehmens aktiv mitzugestalten, wie es heißt.

Wer bleiben will, bewirbt sich bei den Kollegen

Was es damit konkret auf sich hat, skizziert ein Bericht des Schweizer "Tages-Anzeigers". Demnach wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgerufen, selbst kundzutun, ob sie weiterhin bei Globetrotter arbeiten wollten. Wer bleiben wollte, sollte seinen Namen zunächst auf eine "Nominationsliste" setzen. Einen Monat später hätten dann "firmeninterne Wahlen" begonnen, berichtet die Schweizer Tageszeitung. Darin wurde darüber abgestimmt, wer von den bleibewilligen Kolleginnen und Kollegen gehen sollte und wer im Unternehmen verbleiben durfte.

Ein ähnliches Verfahren habe die Geschäftsführung bei sich selbst angesetzt, heißt es in dem Bericht. Diese sei nach den Vorgaben der "Soziokratie" von zehn auf fünf Mitglieder verkleinert worden – vier Mitglieder seien zurückgestuft worden, eines habe den Betrieb verlassen müssen.

Chef-Entscheidungen hätten "eher die Falschen grtroffen"

Unternehmenschef Gehrig ist offenbar klar, dass so ein unternehmensinterner "Wahlkampf" für die Betroffenen viele Härten mit sich bringt. Schließlich ist es etwas anderes, ob der Chef einen feuert oder ob die Kollegen den Daumen senken. Das räumt der Firmenchef auch ein. "Natürlich gibt es Tränen und schwierige Momente", sagt er Aber zugleich verteidigt er sein Vorgehen: "Hätte ich einfach eine schwarze Liste gemacht mit jenen, die wir entlassen, hätte es eher die Falschen getroffen", sagt er. Es hätte "monatelang Widerstand an allen Fronten" gegeben, wenn allein die Geschäftsführung entschieden hätte, welche Stellen abgebaut würden, erklärte er dem "Tages-Anzeiger".

Der Prozess, den man eingeleitet habe, sei transparent, so Gehrig. Mitarbeiter, die das Unternehmen verlassen müssten, würden außerdem aufgefangen und unterstützt, wenn sie sich neu orientieren müssten.

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