27. Februar 2023 | 13:45 Uhr
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Bahnstreiks schon im März?

Diese Woche beginnt die Tarifrunde zwischen der Deutschen Bahn und der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Reisende sollten sich schon im März auf Warnstreiks gefasst machen, die den Zugverkehr lahmlegen könnten. Mit einer schnellen Einigung ist nicht zu rechnen – die EVG fordert unter anderem zwölf Prozent mehr Lohn, mindestens 650 Euro.

Bahn ICE 3 Foto iStock huettenhoelscher

Bei der Bahn könnten schon bald Streiks anstehen

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"Das Frühjahr wird hitzig", erwartet der neue EVG-Vorsitzende und langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Martin Burkert. Denn die Gewerkschaft will für rund 190.000 DB-Beschäftigte deutlich mehr als einen Ausgleich der Rekordinflation durchsetzen, da sie in den letzten beiden Jahren nur sehr geringe Zuschläge bekamen und daher massive Kaufkraftverluste erlitten. Bessere Bezahlung soll zudem die Bahnjobs attraktiver machen – denn die Personalnot ist groß.

Elf Seiten mit 57 Forderungen in Milliardenumfang

Die EVG hat dem Staatskonzern dem Vernehmen nach ein elfseitiges Schreiben geschickt. Es soll 57 Einzelforderungen enthalten, darunter neben den Lohnerhöhungen die Einordnung von 80.000 Beschäftigten in bessere Gehaltsgruppen, die Anpassung regionaler Tarife sowie verbessere Altersteilzeit und Langzeitkonten. Alles zusammengerechnet, verlange die EVG rund 25 Prozent mehr für eine Laufzeit von zwölf Monaten, heißt es auf Arbeitgeberseite.

Für den verlustreichen und hoch verschuldeten Staatskonzern könnte die Lohnrunde einen milliardenschweren Kostenschub und noch höheren Finanz- und Zuschussbedarf bringen. In den beiden Corona-Jahren fuhr die DB mehr als sieben Milliarden Euro Verlust ein und auch für 2022 stehen voraussichtlich unterm Strich tiefrote Zahlen. Die Bilanz wird Vorstandschef Richard Lutz Ende März vorlegen. Der schon bisher vielfach alimentierte Konzern verlangt derzeit von der Bundesregierung 75 bis 80 Milliarden Euro zusätzlich allein für die Modernisierung des lange vernachlässigten bundeseigenen Schienennetzes.

Ohne konkretes DB-Angebot droht Stillstand

Die EVG fordert für die erste Verhandlungsrunde ein konkretes DB-Angebot und hat bereits angekündigt, dass es andernfalls rasch zu ersten Warnstreiks kommen könnte, ähnlich wie bei den Tarifverhandlungen im Öffentlichen Dienst und bei der Post. In Verhandlungskreisen wird allerdings nicht erwartet, dass DB-Personalvorstand Martin Seiler am Dienstag ein konkretes Angebot für eine Lohnerhöhung oder eine zusätzliche Einmalzahlung wegen der Inflation vorlegen wird.

Ob die EVG dann einlenkt oder bereits nächste Woche mit Warnstreiks zum Beispiel der Fahrdienstleiter in den Schaltzentralen erste Züge stillstehen lässt, könnte sich sehr kurzfristig entscheiden. Bis in den Mai sind zunächst drei weitere Verhandlungsrunden terminiert: am 14. und 15. März, am 25. April und am 23. und 24. Mai.

Bessere Bezahlung soll Personalnot lindern

"Wir führen unsere Tarifverhandlungen auch für die Fahrgäste, damit der Zug- und Busbetrieb weiter aufrechterhalten werden kann", proklamiert die EVG. Insgesamt müsse es für alle Beschäftigten deutlich mehr Geld geben, damit der Eisenbahnbetrieb in nächster Zeit überhaupt noch aufrechterhalten werden könne. Die oft mit Schicht- und Wochenendarbeit verbundenen Jobs seien "in vielen Bereichen finanziell unattraktiv" und Fachkräfte würden in der Branche teils deutlich besser bezahlt, weshalb gut ausgebildete Experten abwandern.

Nach internen Berichten fehlen derzeit rund 4.000 Mitarbeiter beim Fern-, Regional- und Güterverkehr sowie in beim Betrieb der Fahrwege und Bahnhöfe. In allen fünf Sparten liegen die Ist- unter den Planzahlen, den größten Bedarf gibt es in unterbesetzten Stellwerken und bei Lokführern. Die zu knappe Besetzung führt zu vielen Überstunden und dauernder Überlastung, was wiederum Krankenstände und Fluktuation nach oben treibt.

Entsprechend angespannt ist die Stimmung in vielen Betrieben, zumal die Corona-Krise, die Billigtickets im Regionalverkehr sowie die vielen Betriebsstörungen und Verspätungen im Schienenverkehr die Belastung des Personals noch erhöhen. So sind auch aus dem Konzernbetriebsrat sehr kritische Töne zu hören. Es steige der Leistungsdruck, aber im Gegenzug weder Anerkennung und Wertschätzung noch Entlohnung, fasst der interne Infodienst "KBR direkt" die Stimmung zunehmend frustrierter Beschäftigter zusammen.

Die Tarifrunde birgt also viel Konfliktpotenzial. DB-Personalvorstand Seiler wird daher nicht müde, auf die Einstellungsoffensiven des Staatskonzerns zu verweisen. Allein 2023 sollen 25.800 neue Mitarbeiter gewonnen werden. Allerdings geht auch jedes Jahr eine fünfstellige Zahl von DB-Beschäftigten in den Ruhestand und der Konzern verliert so beständig wichtige Experten mit jahrzehntelanger Erfahrung und Kenntnissen, die nicht leicht zu ersetzen sind.

Schon mehr als 25 Millionen Überstunden /

Auch die Personaloffensive Seilers wird vom Betriebsrat kritisch bewertet. Neue Kollegen seien teils so schnell wieder weg wie sie gekommen sind, das Stammpersonal bleibe dadurch weiter hoch belastet. Die Fluktuation beim Staatskonzern sei voriges Jahr von 6 auf 7,3 Prozent gestiegen und es gebe Bereiche, wo 80 bis 90 Prozent der Bewerber wegen dürftiger Entlohnung wieder abspringen, kritisierte EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch vor einigen Wochen.

Zudem sei der Krankenstand voriges Jahr von 5,5 auf 7,1 Prozent gestiegen. Beim Service im Zug, am Bahnhof und bei Busfahrern liege die Quote bei 10 Prozent und darüber, so der Gewerkschafter. Die Belastung der Belegschaft macht die EVG auch an den Überstunden fest, die voriges Jahr von 6,7 auf 7,1 Millionen Stunden angewachsen seien. Zudem seien über 1,5 Millionen Stunden ausbezahlt und fast 18 Millionen Überstunden auf Langzeitkonten angespart worden seien. Dieses Volumen entspreche der Arbeitsleistung von rund 8.700 Vollbeschäftigten.

"Zur sozialökologischen Verkehrswende gehören auch gute Arbeitsbedingungen und gute Bezahlung in den Verkehrsbetrieben", betont EVG-Chef Martin Burkert. Derzeit verließen viele Beschäftigte die Branche, weil in anderen Wirtschaftsbereichen mehr bezahlen. Das Bahn-Personal verdiene daher nun "einen großen Schluck aus der Pulle".

Thomas Wüpper

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