31. August 2022 | 16:43 Uhr
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Können Urlauber bedenkenlos nach Sri Lanka reisen?

Seit der Rajapaksa-Clan Mitte Juli die Regierungsmacht in Sri Lanka gezwungenermaßen abgegeben hat, scheint sich die Lage im Land allmählich zu beruhigen. Zwar sind wichtige Güter und Energie weiterhin knapp und die Inflation ist horrend. Doch die Reisebranche des Inselstaates schöpft langsam wieder Hoffnung. Reise vor9 sprach mit zwei Touristikern vor Ort.

Sri Lanka Mirissa Beach Foto iStock Milan Chudoba.jpg

Sri Lanka, hier der Mirissa Beach, sei wieder gut bereisbar, sagen Touristiker aus dem Land

Seit April kam es in Sri Lanka regelmäßig zu Demonstrationen, Streiks und Straßenblockaden. Am 9. Juli besetzten Demonstrierende die Residenz des Präsidenten und zündeten die des Premiers an. Am 13. Juli hat der Präsident Gotabaya Rajapaksa das Land verlassen und anschließend seinen Rücktritt erklärt. Am 20. Juli 2022 wurde Ranil Wickremesinghe vom Parlament zum neuen Präsidenten gewählt und versucht nun mit einer parteiübergreifenden Regierung, den Karren aus dem Dreck zu ziehen.

Dabei bleiben freilich die großen Probleme des Landes vorerst ungelöst. Die Inflation liegt offiziell bei 83 Prozent, Nahrungsmittel, Medikamente und Energie sind knapp. Im April hat der im Indischen Ozean gelegene Inselstaat seine Zahlungsunfähigkeit erklären müssen. Die Schulden betragen 51 Milliarden Dollar, davon müssen 28 Milliarden Dollar bis 2027 zurückgezahlt werden. Derzeit verhandelt das Land mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über eine Umschuldung. Es geht um ein Programm über fünf Milliarden Dollar.

Tourismuseinnahmen fehlen

Unter anderem fehlen dem Land die Einkünfte aus dem Tourismus. Während die Einnahmen im Jahr 2018 noch bei rund 4,75 Milliarden Euro gelegen hätten, seien sie im Jahr 2020 auf etwa 942 Millionen Euro gesunken, erklärte Tourismusminister Harin Fernando jüngst bei einem Treffen mit der Vorsitzenden des Tourismusausschusses des Bundestages, Jana Schimke, in Berlin. Doch ist es verantwortbar, in ein Land zu reisen und seine Tage vielleicht in einem schicken Resort zu genießen, während es ringsherum am Notwendigsten fehlt? Reise vor9 hat bei zwei Touristikern auf der Insel nachgefragt, um sich ein Bild zu machen.

Hewagama Prabath

Prabath Hewagama (Foto) ist Vertriebschef der Incomingagentur The Fabulous Getaway. Er berichtet, die langen Warteschlangen vor den Tankstellen seien mit der kontinuierlichen Versorgung mit Kraftstoff und der Einführung eines neuen QR-Code-Systems für die Verteilung weitgehend verschwunden. Die Preise für Lebensmittel seien zwar leicht gesunken, blieben aber hoch. Es gibt immer noch Stromausfälle, rund zwei bis drei Stunden täglich, aber er gehe davon aus, dass sich dies weiter verringern werde, sobald genügend Regen fällt und ausreichend Wasser für die Wasserkraftwerke vorhanden ist, sagt Hewagama.

Allmähliche Verbesserung der Lebensbedingungen

Insgesamt hätten sich die allgemeinen Lebensbedingungen vor Ort mit dem Wechsel des Präsidenten und der  stetigen Verbesserung der Brennstoff- und Gasversorgung sowie der allmählichen Senkung der Lebenshaltungskosten rasch wieder normalisiert, so der Touristiker.

Paul Marcelline

Ähnlich bewertet Marcelline Paul (Foto), Vice President Sales & Marketing der Hotelgruppe Uga, die Entwicklung. Die Lage in Sri Lanka sei nach den massiven Protesten wieder recht ruhig, sagt er. Inflation, Treibstoffknappheit und lange Stromausfälle hätten allerdings die Frustration in der Bevölkerung verstärkt. Die Treibstoffknappheit habe in den letzten drei Wochen abgenommen, berichtet er. Die Dauer von Stromausfällen sei von zehn auf zwei Stunden zurückgegangen; zudem beschränke sie sich auf bestimmte Gebiete des Landes. Die Stromausfälle hätten keine Auswirkungen auf den Hotelbetrieb, da alle Hotels mit Generatoren ausgestattet seien. Seit Beginn der Stromausfälle seien alle Uga-Hotels ohne Unterbrechung mit Strom versorgt worden.

Besucher werden "mit offenen Armen empfangen"

Einig sind sich die beiden Sri Lanker, die freilich selbst vom Geschäft mit Urlaubern leben, in der Feststellung, dass Reisende keine Anfeindungen seitens der einheimischen Bevölkerung befürchten müssten. Die örtliche Bevölkerung empfange die Touristen „mit offenen Armen“, sagt Hewagama, da ihr bewusst sei, dass der Tourismus mehr als vier Millionen Einwohnern direkt und indirekt Einkommen verschaffe. Es habe keine Fälle gegeben, in denen Touristen belästigt oder geschädigt worden seien.

Das bestätigt auch Uga-Manager Paul. „Wir versorgen unsere Gäste mit Informationen über die örtlichen Gemeinden und ermutigen sie, die örtlichen Geschäfte und Restaurants zu besuchen und zu unterstützen“, sagt er. Das Unternehmen unterstütze die lokale Wirtschaft, indem es lokale Produkte kaufe und mit kleinen lokalen Unternehmen zusammenarbeite.

Hoffnung auf baldige Belebung

Nun hoffen beide, dass das Geschäft rasch wieder anzieht. Bisher hätten sich etwa die Uga Hotels mit bestehenden Buchungen über Wasser halten können, sagt Paul. Sie seien in den Sommermonaten zu 40 Prozent an der Ostküste und zu 28 Prozent im übrigen Land ausgelastet gewesen. Doch an Neubuchungen mangele es, da zwar die Proteste und Engpässe der vergangenen Monate starke internationale Aufmerksamkeit erhalten hätten; die aktuelle Beruhigung der Situation sei hingegen seltener thematisiert worden. Immerhin hätten aber die Schweiz und Frankreich Reisehinweise, in denen von Reisen nach Sri Lanka abgeraten wurde, mittlerweile fallen lassen. Das Auswärtige Amt hingegen rät derzeit noch „aufgrund der schwierigen Versorgungslage von nicht notwendigen Reisen nach Sri Lanka ab“.

Christian Schmicke

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