Klimawandel trifft Touristik doppelt
Der Klimawandel verändert nicht nur das Wetter, sondern stellt die Touristikbranche vor wachsende Herausforderungen. Meteorologe Karsten Schwanke warnt vor zunehmenden Wetterextremen, die sowohl Reiseziele als auch Urlauber betreffen. Er fordert mehr Engagement der Branche für klimafreundlichere Mobilität und resiliente Urlaubsregionen. Nur so könne der Tourismus zukunftsfähig bleiben.

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Der Klimawandel sorgt vielerorts für längere Dürre
Die Auswirkungen des Klimawandels sind längst keine Zukunftsprognose mehr – sie bestimmen zunehmend den Reisealltag. "Wir erleben eine Verschiebung der Wettersysteme in Europa", erklärt ARD-Meteorologe Karsten Schwanke im Reise vor9 Podcast. Frühere Gewissheiten gelten nicht mehr: Während es in Nord- und Westeuropa heute häufiger sonnig und trocken ist, sorgen Tiefdruckgebiete im Mittelmeerraum für heftige Regenfälle und Überschwemmungen.
Hitze, Dürre, Starkregen – eine neue Realität
Besonders auffällig sei die Zunahme von Extremwetterlagen. "Dürreperioden werden nicht nur häufiger, sie dauern auch länger an", so Schwanke. Gleichzeitig mehren sich Starkregenereignisse, die in touristischen Regionen zu Schäden und Einschränkungen führen. Dass dabei auch der Tourismus selbst betroffen ist, zeigen wiederholte Überschwemmungen auf den Balearen oder Hitzewellen in Südeuropa mit Temperaturen jenseits der 40 Grad. Für viele Urlauber werde das zur Belastungsprobe.
Trotz technischer Fortschritte bleibt die Wettervorhersage bei Extremereignissen ein schwieriges Feld. Die Großwetterlage lasse sich zwar rund zehn Tage im Voraus abschätzen, punktuelle Ereignisse wie Gewitter oder Starkregen seien oft erst wenige Stunden vorher erkennbar. "Eine verlässliche Urlaubsplanung auf Wetterbasis ist heute nur eingeschränkt möglich", sagt Schwanke.
Reisebranche als Mitverursacher und Betroffene
Die Touristikbranche steht in einem doppelten Spannungsfeld. Einerseits ist sie selbst betroffen von den Folgen der Klimakrise, andererseits trägt sie – insbesondere durch Flugreisen – erheblich zum CO2-Ausstoß bei. Schwanke sieht hier eine Mitverantwortung: "Wenn man Klimaschutz ernst nimmt, müsste man viele Reisen hinterfragen."
Konkrete Impulse wünscht sich der Meteorologe bei der Förderung klimafreundlicher Mobilität. Der Ausbau von Nachtzugverbindungen quer durch Europa sei ein Beispiel, das bisher zu wenig Unterstützung finde. "Die Reisebranche sollte hier deutlich aktiver werden", fordert Schwanke. Es fehle an bezahlbaren Alternativen zum Flug – vor allem für Familien.
Zusammenarbeit mit Zielregionen stärken
Auch bei der Anpassung an die Klimafolgen sieht Schwanke Handlungsbedarf. Urlaubsdestinationen in Südeuropa litten nicht nur unter Wassermangel, sondern auch unter infrastrukturellen Defiziten. Er plädiert für eine enge Kooperation zwischen Reiseveranstaltern und lokalen Akteuren, um etwa Wasserversorgungssysteme zu verbessern. "Wenn die Branche vor Ort hilft, steigt auch ihre Akzeptanz", so Schwanke.
Langfristig werde es ein Umdenken bei der Wahl von Reisezielen geben müssen. Regionen wie Skandinavien oder Mitteleuropa könnten in Zukunft an Bedeutung gewinnen. "Wer 40 Grad nicht aushält, sollte sich andere Ziele suchen", rät Schwanke. Auch die klassische Hochsaison im Sommer könnte an Attraktivität verlieren, wenn Hitzewellen zur Regel werden.
Kostenfrage: Reisen müssten teurer werden
Eine ernsthafte Klimapolitik werde auch finanzielle Konsequenzen haben. Der CO2-Ausstoß müsse angemessen bepreist werden, was auch Reisen teurer machen würde. "Das wird dazu führen, dass man sich häufiger fragt, ob ein Flug wirklich notwendig ist", sagt Schwanke. Die EU plane entsprechende Maßnahmen ab 2027 – doch solange globale Regelungen fehlen, bleibe der Effekt begrenzt.
Der Meteorologe weist darauf hin, dass Extremwetter längst zu spürbaren Migrationsbewegungen führe – auch innerhalb wohlhabender Staaten. "In den USA gibt es bereits elf Millionen Binnenklimaflüchtlinge", berichtet er. Der Klimawandel sei kein fernes Phänomen, sondern bereits Realität.
"Wir sind mittendrin"
Angesichts dieser Entwicklungen warnt Schwanke vor Gleichgültigkeit oder Überdruss: "Wir sind mitten in dieser Entwicklung. Die Wetterextreme werden zunehmen – in Häufigkeit und Intensität." Auch wenn manche die ständige Berichterstattung als überzogen empfinden, lasse sich die Realität nicht ausblenden. Die Reisebranche sei daher gut beraten, sich frühzeitig anzupassen – ökologisch wie wirtschaftlich.
Christian Schmicke
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